Freitag, 30. April 2010

Wer braucht Feinde

"Was hast Du denn am Wochenende gemacht?" - "Nichts besonderes, ich bin gelaufen, habe lange gefrühstückt und ein paar Sachen erledigt." - "Ach, das ist aber schade!" Bei manchen Dialogen drängt sich der Unsinn einem begegnender Worte derart auf, dass man einfach nicht darüber weghören kann. Selten ist das jedoch so klar, wie vor einigen Wochen bei den russischen Rechtspolitikern, die angesichts der Moskauer Selbstmordattentate die Wiedereinführung der Todesstrafe forderten. Im Alltag unter Freunden ist deshalb regelmäßig schweres Durchatmen und mehrmaliges 'bis drei zählen' gefordert, um nicht durch Äußerungen aufzufallen, die einen die eine oder andere Freundschaft kosten könnten.

Stammtisch1

Freunde hat man ja heutzutage schnell im Dutzend und mehr, wenn man bei der Definition von Freundschaft schlampt. Diesbezüglich bemerkt Facebook-Chef Mark Zuckerberg ganz richtig 'Wer glaubt, dass jeder Facebook-Kontakt ein Freund ist, der weiß nicht was Freundschaft bedeutet'. Aber was bedeutet es denn nun? Selbst diejenigen, die einem nahe sind, wissen regelmäßig verlässlich zu nerven und die Frage, ob man mit diesen Nervbolzen befreundet sein möchte, darf man sich durchaus mal stellen. 'Man muss einem Freund auch mal sagen dürfen, dass er ein Idiot ist' meinte unlängst ein ... Freund! Ja - Komma - stimmt! Allerdings hören Freunde wie Idioten derlei in der Regel nicht gern und damit wären wir wieder beim Ausgangspunkt.

Steter Stein des Anstosses ist in Freundeskreisen die schlechte Laune einzelner Teilnehmer. Sie sorgt immer wieder für ebensolche, wird gern mal mit Sätzen kommentiert wie 'mach Dich mal locker' und das gehört noch zu den milderen Formen der Kritik. Die Forderung nach ständiger Bestgelauntheit gehört zu den übelsten Auswüchsen der Lifestylegesellschaft. "Ein heiterer Mensch, der einfach zu intelligent war, um hemmungslos fröhlich zu sein" sagte Dieter Hildebrandt über den Schauspieler Jörg Hube, nachdem der das zeitliche gesegnet hatte. Solch einen Nachruf hätte man gern, stattdessen läuft man aber Gefahr, noch nach dem Ableben als Stinkstiefel verunglimpft zu werden, wenn man zu Lebzeiten seiner Depression nicht ständig Herr geworden ist.

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